Das vergessene Leid der arabischen Juden
Jede Diskussion über den Konflikt Israels mit seinen arabischen Nachbarn dreht sich um die etwa 750.000 Palästinenser, die infolge des Krieges von 1948 geflohen sind oder vertrieben wurden. Fast nie zur Sprache kommt die Flucht und Vertreibung nahezu aller Juden aus der arabischen Welt. Wer weiss schon etwas über die Pogrome im marokkanischen Oujda und Jérada 1948, die in der demnächst auf Deutsch erscheinenden Studie “Die Juden der arabischen Welt” des Historikers Georges Bensoussan eine wichtige Rolle spielen? Oder über den Farhud in Bagdad, jenes Pogrom des Jahres 1941, das den Auftakt für das Ende der über zweieinhalbtausend Jahre alten jüdischen Gemeinde in Babylon / Irak bildete? Wem ist heute noch bewusst, dass Ende der 1930er Jahre ein Drittel der Bevölkerung der irakischen Hauptstadt Bagdad jüdisch war? Und wer hat schon davon gehört, dass sich die deutsche, die schweizerische, die kanadische und die niederländische Botschaft in Kairo in Häusern befinden, die früher im Besitz wohlhabender jüdischer Familien waren? Von den fast 900.000 in arabischen Ländern vor 1948 lebenden Juden sind heute nur wenige Tausend übriggeblieben, die Mehrheit von ihnen in Marokko und Tunesien. Von über 250.000 marokkanischen Juden sind nur etwa 2.000 im Land geblieben. In Tunesien lebten 100.000 Juden, heute sind es 1.000. In Ägypten lebten 1948 75.000 und im Irak 135.000 Juden, heute sind es jeweils weniger als 20. In Jemen waren es etwa 60.000, heute wird ihre Zahl auf 50 geschätzt. Die syrische jüdische Gemeinde wurde von 30.000 auf 0 dezimiert. In Algerien lebten 1948 140.000 Juden, in Libyen 38.000. In beiden Ländern leben heute keine Juden mehr. (nzz)KR